Der Zürcher Entwicklungspionier Diether Grünenfelder schöpft aus dem Vollen. Anders als einst Gottfried Keller in seiner kritischen Beschreibung von «Seldwyla» nennt er die Schweiz beim Namen, den Ort veruntreuter Entwicklungsgelder aus diesem reichen Land hingegen tarnt er als «Macandonia, wohl in der listigen Absicht, wir würden drum vermuten, es kämen mehrere Länder in der Dritten Welt in Frage.
Jedenfalls wird der Protagonist beauftragt, in Macandonia nach dem Rechten zu schauen, nämlich herauszufinden, wo denn die neun Millionen Franken aus Bern versickert sein könnten. Als einstiger Beamter im helvetischen Aussendienst und als dessen heutiger freier Berater ist Büeler froh um den Auftrag und freut sich auf ein Wiedersehen mit alten Freunden in Macandonia, Letzteres umso mehr, als ihm gleichzeitig von einer andern Abteilung der Auftrag mitgegeben wird, Projekte zu melden, mit welchen man rasch sieben Millionen Franken los würde, die unbedingt noch ausgegeben werden müssen, um zu verhindern, dass das Abteilungsbudget im folgenden Jahr gekürzt würde. Dennoch fliegt Büeler mit gemischten Gefühlen hin; er kennt ja die politischen Wirren und Ränkespiele in jenem Land.
Was folgt, ist eine für Büeler zunehmend gefährlicher werdende Reise durch ein Land, in welchem diverse Behörden und Kreise sehr wohl wissen, was er hier tut. Er findet gelegentlich Unterschlupf in Projekten und Menschen, die er von früher kennt und schätzt; doch auf den Strecken dazwischen wird er zu Freiwild, entgeht einmal nur mit Glück und Geschick einem Anschlag und landet Tage später in einem Knast, aus dem jemals wieder frei zu kommen für gewöhnliche Sterbliche unmöglich erscheint. Freunde setzen sich für ihn ein, ein Minister wird als angeblicher Veruntreuer der neun Millionen in ein anderes Ministerium strafversetzt, die Affäre ist erledigt, die Schweiz darf ihn aus dem Knast holen, und alles wird wieder gut. Ausser für Büeler, den alten Zweifler.
Die kurze, spannend und mit Tempo erzählte Geschichte lässt nichts aus an Problematik der Entwicklungshilfe. Lesenswert!
Diether Grünenfelder: «Im Auge des Chamäleons». diether.ch, Zürich, 2016.150 Seiten, Taschenbuch. ISBN 978-3-7412-9253-8