Wie alles Leben im Meer entstand – und darin wieder verschwinden könnte

 

 

 

Wer wissen möchte, wie die Welt entstand, in der wir heute leben, und wie leicht und rasch das im Lauf einer sehr langer Zeit entstandene Gleichgewicht und damit die menschliche Zivilisation zusammenbrechen kann: Dieses Buch erklärt das alles eindrücklich.

Am Anfang war sozusagen nichts. Mehr als vier Milliarden Jahre brauchte es, damit in lebensfeindlichen Ozeane Sauerstoff entstand und andere Gase zurückdrängte. Eine komplexe Entwicklung mit vielem Auf und Ab, bis sich in den Fluten schliesslich allererste einfache Formen von dem entwickeln konnten, was wir heute als Leben bezeichnen. 

Leben kommt aus dem Meer, erst spät in der Erdgeschichte kolonisieren Pionierformen das Land. Noch heute ist die Zahl der Spezies unter Wasser bei weitem grösser als jene zu Land. Das mag teilweise auch damit zusammenhängen, dass der seit weniger als 200’000 Jahren lebende Homo sapiens Kontinent um Kontinent bevölkert und dabei reihenweise Tier- und Pflanzenarten ausgerottet hat, einerseits, um Platz für sich und seine Lebensweise zu schaffen, andererseits aus Nichtwissen. Spätestens seit etwa siebzig Jahren ist unsere Art dabei, systematisch auch die Zahl der Individuen und der Spezies unter Wasser zu dezimieren, sei es durch massive Überfischung oder durch die Nutzung der Meere als Transportstrassen, Müllkippen, Bodenschatzkammern und neuerdings zudem als Speicher von immer grösseren Mengen an Kohlendioxid.

Was wir allein schon in den Meeren an Vielfalt des Lebens aufs Spiel setzen, ist ungeheuerlich; Callum Roberts’ ruhige, aber engagierte Schilderung dieser fantastischen Lebenswelt lässt einen schaudern beim Gedanken, dass das alles eines nicht zu fernen Tages verloren gehen könnte. Der kalte Schweiss aber bricht aus, wenn uns bewusst wird, dass nicht nur ein riesiges Unterwasseraquarium vom Untergang bedroht ist, das uns wunderbare Tauchferien oder zumindest viele unglaubliche Filme beschert – wir selber und alles Leben auf dem Planeten sind direkt betroffen, wenn wir die komplexen Gleichgewichte in den Ozeanen weiterhin unter Druck setzen, bis sie kippen. 

Was die Ozeane für den Ursprung des Lebens auf dem Planeten geleistet haben und bis heute ununterbrochen leisten, wird von den meisten Menschen krass unterschätzt, selbst von jenen, die an einem Meer leben oder dort ihre Ferien verbringen und dabei das diffizile Habitat zwischen Wasser und Land schädigen, das für viele Tier- und Pflanzenarten ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens ist. Wenn schon nicht weit draussen auf dem Meer, fern von unserer Beobachtung, kann der Beitrag zum Schutz der Meere und des Lebens in ihnen genau hier anfangen, vor unsere Augen und in Reichweite unserer Handlungsmöglichkeiten. Dass das gutgemeinte Einsammeln von Plastik und Zigarettenstummeln bei weitem nicht ausreicht, wird einem spätestens bewusst, wenn wir uns Roberts’ kundiger und liebevollen Führung durch die Geschichte der Meere und deren Bedeutung für uns selbst anvertrauen.

Keine Sorge, der Meeresbiologe Callum Roberts ist kein Alarmismus-Prediger. Er breitet einfach seinen grossen Schatz an Wissen vor uns aus, schildert eindrücklich, was alles da ist und warum es unsere Achtsamkeit verdient. Ein Fundus für alle, die das Meer mögen, und für alle, die schon immer wissen wollten, warum genau unser Überleben keine Selbstverständlichkeit ist.

Callum Roberts: «Der Mensch und das Meer. Warum der grösste Lebensraum der Erde in Gefahr ist». Deutsche Verlags-Anstalt, München, 2013, 588 S., gebunden, ISBN 978-3-421-04496-9

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