Archiv für die Kategorie ‘Literatur’

Gefährdete Fischbestände und Lebensräume

Montag, 18. November 2024

Der Hamburger Journalist Manfred Kriener setzt sich seit vielen Jahren kritisch mit Fragen rund um den Zustand der Umwelt und unserer Ernährung auseinander, auch mit Fragen rund um den Zustand der Meere und der Fischbestände. Ich schätze ihn als schreibgewandten Fachmann in diesen Themen.

Auch in seinem neusten Sachbuch [1] berichtet Kriener in gewohnt launiger und lesefreudiger Weise und bringt interessierten Laien die Welt der Fische und das Marktgeschehen mit ihnen näher. In kurzen Kapiteln kann man sich rasch informieren über die Erschöpfung vieler Fischbestände durch industrielle Überfischung, den Missbrauch der Meere als Müllkippen und die zunehmende Erwärmung der Meere. Kenntnisreich beschreibt Kriener die besondere Lage in der Nordsee, in der Ostsee und im Bodensee und streift die Probleme in der Aquakultur, um den Tour d’Horizon mit einigen kritischen Bemerkungen zur in Deutschland verbreiteten Freizeitanglerei zu beschliessen. Dem Buch beigefügt sind, eine schöne Idee, 21 Portraits von besonders gefragten Fischarten, vom Aal über die Regenbogenforelle bis zu Wels und Zander. 

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Eine durch und durch verwobene Welt

Donnerstag, 07. November 2024

Es ist nicht das erste Buch der Schweizer Biologin Florianne Koechlin über die fantastischen Fähigkeiten von Pflanzen und Tieren. Aber es ist vielleicht ihr dichtestes, das tief in die feinsten Verästelungen und Verbindungen des Lebens in allen seinen Formen reicht. «Streifzüge durch wissenschaftliches Neuland» nennt die Autorin ihr Schreiben. Da kommunizieren Pflanzen mit Artgenossen, mit Pflanzen anderer Arten, mit Tieren und Pilzen, und diese wiederum mit Pflanzen, fast wie in einer Märchenwelt oder wie in den animistischen Vorstellungswelten angeblich primitiver Gesellschaften.

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Sanft eindringlich für ein anderes Verhältnis mit der Natur

Dienstag, 05. November 2024

Eine «ungeordnete Kulturgeschichte der Natur» nennt die österreichische Autorin und Lyrikerin Bettina Balàka ihren Essayband allzu bescheiden. Lesend fand ich mich bald gefangen von einer klaren, wenn auch sanften Ordnung des Empfindens und Denkens über das «Zähmen, Ausbeuten und Bestaunen»; eine ganz anders geartete Ordnung als jene, der die Autorin ihr vermeintlich Ungeordnetes gegenüberstellt.

Die Fragen, die Balàka aufwirft und unaufdringlich eindringlich beantwortet, sind mir in meiner eigenen Arbeit seit Jahrzehnten täglich nah, brennen auch mir unter den Fingern und auf der Zunge. Doch wie Balàka davon schreibt, ist bemerkenswert, nicht zuletzt deswegen, weil sie sich selber nicht herausnimmt und die allmähliche Veränderung im Verhalten zu Pflanzen und Tieren in der eigenen Person vorstellt.

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Erinnern, vergessen, manipulieren

Sonntag, 02. Juni 2024

Es gibt Menschen, die eher dazu neigen, bestimmte Erlebnisse vergessen zu wollen. Und es gibt jene, die alles festhalten wollen, um es nicht zu vergessen. Ich gehöre zur zweiten Gruppe, und manchmal leide ich darunter. Denn je mehr  ich festgehalten habe, desto schwerer trage ich daran.

Das kann auch ganz physisch verstanden werden: in Form von Archivschachteln randvoll mit Briefen, Entwürfen, Notizen, ein Tausende von Seiten umfassendes Tagebuch, in fremden und eigenen Hand- und Maschinenschriften, bei jedem Umzug treppab, treppauf geschleppt und wieder chronologisch in die Regale eingeordnet. Dieses Frühjahr hatte ich mir die ersten zwanzig Jahrgänge im Versuch vorgenommen, Unwichtiges auszusortieren, also alles, was selbst mich in zehn Jahren nicht mehr interessieren würde. Wirklich viel war es nicht, was ich zum Altpapier gab. 

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Ein ganz unerwarteter Mord

Samstag, 09. März 2024

Hinter dem irreführenden Titel verbirgt sich ein kluger Kriminalroman – mit mittelmässigen Italienischkenntnissen flüssig zu lesen, aber Obacht: Suchtgefahr! – mit einer nicht unwahrscheinlichen Geschichte, die in der fiktiven emilianischen Stadt Valdenza* spielt, in einem witzigen Stil erzählt wird und gleichzeitig ernste Themen der italienischen Gesellschaft und insbesondere der Beziehungen zwischen Männern und Frauen berührt. In ihrem ersten Kriminalroman schlüpft die Autorin in die Rolle des männlichen Erzählers Ricco, in dessen kleiner Bar, einer ehemaligen Molkerei, man sich morgens zum Kaffee trifft und abends nach der Arbeit feiert. Es ist ein einfaches, ruhiges Leben, das er geniesst und das ihm erlaubt, die Menschen mit einem liebevoll-ironischen Blick zu beobachten, auch sich selbst.

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Lehren aus dem Fall Moro

Mittwoch, 20. Dezember 2023

Die «anni di piombo», die bleiernen 1970er Jahre, waren in Italien, wie in Deutschland, geprägt vom Zusammenbruch alter Konventionen in den Studenten- und Arbeiterrevolten (1968) und von einer zunehmend härteren Auseinandersetzung zwischen der Neuen Linken und der Reaktion der herrschenden Kreise, bis hin zu offener Gewalt sowohl der Staatsorgane wie auch der militarisierten Aktionsgruppen (Brigate Rosse, RAF und andere). Italien ist ein relativ junger Staat, in den 1860er Jahren von den piemontesischen Truppen bis ganz in den Süden «vereinheitlicht», was zumindest in Sizilien [1] das Schicksal vieler Menschen eher verschlechterte; die Bruchlinien zwischen Norden und Süden bestehen bis heute, auch die neue republikanische Verfassung nach dem Ende des Faschismus’ konnte sie nicht wirklich kitten.

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Poet, Botaniker, Weltenreisender

Dienstag, 19. Dezember 2023

Im Büchergestell meines Vaters standen nebst einigen Romanen (ich erinnere mich an Namen wie Salvador de Madariaga, Norman Mailer, Herman Melville oder Ernst Jünger), einem dicken  siebenbändigen Schweizer Lexikon, diversen Militaria und Sachbüchern zur Weltgeschichte auch einige Klassiker in gediegenem Einband, von Dante bis Chamisso. Interessiert haben mich als Junge nur das Lexikon und ein grosser Atlas. Im Verlauf der Jahre hab ich mir meine eigene Bibliothek zusammengestellt, und als Vater und viel später auch Mutter gestorben waren und die Wohnung aufgelöst werden musste, war das alte Büchergestell ein Fall für die Entsorgung, die Bücher so gut wie die schönen Ganzholzregale – wir Kinder und unsere Kinder waren längst eingerichtet in unseren Wohnungen, in denen der Platz längst vergeben war, was auch für die Brockenhäuser galt. Ja, hätte Vater dem Drängen seiner Frau nachgegeben und ein Haus für die Familie gekauft, anstatt ängstlich zu rechnen, dann stünde die Bibliothek jetzt mitsamt dem ganzen Mobiliar in einem Haus, in das wir alle immer wieder gerne zurückkehren würden…

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Reale Fabelwesen mit vertauschten Elternrollen

Montag, 11. Dezember 2023

«Naturkunden» nennt sich eine von Judith Schalansky herausgegebene Reihe kleiner feiner Bücher im Berliner Mattes & Seitz Verlag, in der im Lauf der vergangenen zehn Jahre schon rund hundert Tierarten vorgestellt worden sind, darunter auch etliche Wassertiere. Der 2023 erschienene Band 95 ist den Seepferdchen gewidmet, genauer: ihnen und dem Leben und Geschehen in den Meeren um sie herum. Die Wiener Schriftstellerin und Evolutionsbiologin Andrea Grill nimmt uns mit auf eine faszinierend erzählte Reise durch die Zeit und rund um den Globus.

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Tunnelbau ohne Rücksicht auf Verluste

Dienstag, 05. Dezember 2023

Peter Beutler hat es erneut getan – unermüdlich erzählt er wahre Begebenheiten als Kriminalromane und erschreibt sich so die Freiheit, auf der Grundlage des gesicherten Materials mögliche Puzzleteile zu erfinden für das, was noch aufzuklären bleibt oder wegen irgendwelcher höherer Interessen vielleicht gar nie geklärt werden soll. Ich habe Beutlers «Balance überm Abgrund geheim gehaltener Fakten» schon früher bewundert; vermutlich nur deswegen habe ich meinen jahrzehntealten Plan, das spätere Schicksal der plötzlich und spurlos aus der Geschichte der Spätantike verschwundenen Vandalen zu erfinden, noch nicht ganz aufgegeben.

Fünfzehn Romane hat der pensionierte Chemiker und Gymnasiallehrer  in den vergangenen dreizehn Jahren publiziert, jeder sein Papier und die Lesezeit mehr als wert. Sein neustes Werk ist eine grandiose Räuberpistole, die mir mir keine Ruhe liess, bis ich sie zuende gelesen hatte. Weil Beutler die Geschichte einmal mehr packend erzählt – und weil das Wichtigste davon ja wirklich passiert ist, noch dazu rund um einen See und eine Bioforellenzucht, die ich einst gut kannte. 

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Ein Berg, ein Buch und ein Korb

Sonntag, 03. Dezember 2023

Man muss eben Kaffee trinken. Dank eines Kaffees, lang nicht dem ersten, in der Konditorei Dorbolò zu San Pietro al Natisone, war ich auf das Buch gestossen, von dem an der Theke ein paar Exemplare zum Verkauf auflagen. Und nachdem der Matajur hinter Cividale sozusagen mein heiliger Berg geworden ist, weil ich so ergriffen war, als ich zum erstenmal die unglaubliche Aussicht von dort oben erlebte, rundherum über all die Bergketten vom Veneto übers Friaul und Kärnten bis nach Slowenien und über die Ebene bis nach Udine und bis zum Meer, kaufte ich das Buch. Zum Glück! Was Giuliano Citti, ein vierzigjähriger Älpler und Holzbildhauer weiter hinten im Natisonetal, an alten Geschichten zusammengetragen hat und erzählt, ist von schlichter Schönheit; nicht von ungefähr hat er den diesjährigen Literaturpreis «Settembrini» der Region Venetien gewonnen. 

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