Wer ein Buch von Heinz Emmenegger zu lesen beginnt, halte sich an die Legende vom Schlaraffenland: Du musst Dich erst durch den Ring aus Griessbrei hindurch essen, bis Du im Land Deiner Wünsche ankommst. Der Zürcher Autor, Bademeister und Nachtwächter Emmenegger schöpft aus einem vielfältigen Alltag, dessen Personal er genau beobachtet und dessen Dialoge er akribisch wiedergibt. Seine Sätze mäandern und rudern um den Brei herum wie das mal wortkarge, mal geschwätzige Gespräch der Menschen. Typen von nebenan. Geschichten von Jedermann.
Überwinde ich den Griessbrei, der bei Emmenegger oft mit einem eigenartigen Futur gewürzt ist, tauch ich ein in ein Panoptikum aus Träumen, Sehnen und Streben, in welchem unmerklich die Alltagsschwere abfällt und Höhenflüge möglich werden, die ich eben noch nicht einmal fantasiert hätte. Anders als in Emmeneggers erstem Roman «Pfister» bleiben die Protagonisten «Im Heuschreck» nicht in einem Vorort Zürichs und an kleinbürgerlichen Sehnsüchten kleben, sondern heben ab, wandern zu Fuss nach Afrika, freunden sich mit dem Verspeisen von Heuschrecken an, gewöhnen sich an den Umgang mit Fetischen, erleben das Exotische als das Wirkliche und reisen gar «Im Heuschreck» durchs All, wenn auch unerklärlich. Es werden ungeahnte Dinge möglich, wenn man Bünzlikon verlässt und sich in Westafrika wiederfindet. Die Weisheit im Senegal ist anderer Art als jene im geschäftigen Zürich, und bei aller Sanftheit stärker. Noch stärker ist nur die Frau als Domina, und so kommt alles wieder in der Gegenwart an.
Fasziniert schau ich beim Lesen zu, wie die grosse Schraube dieser Schreibe sich immer zwingender ins Holz bohrt, oder eben in den Himmel, und bin gespannt, wie tief, wie hoch. Die scheinbar frei drauflos fabulierte Geschichte folgt einer Logik, die sich bis zum Schluss nicht ganz entpuppt und mich mit der Frage zurücklässt, warum’s denn jetzt zuende sei – ich war doch grad so schön dabei.
Heinz Emmenegger: «Im Heuschreck». lectorbooks, Zürich, 2017. 251 Seiten, Taschenbuch. ISBN 978-3-906913-03-2