Hinter dem irreführenden Titel verbirgt sich ein kluger Kriminalroman – mit mittelmässigen Italienischkenntnissen flüssig zu lesen, aber Obacht: Suchtgefahr! – mit einer nicht unwahrscheinlichen Geschichte, die in der fiktiven emilianischen Stadt Valdenza* spielt, in einem witzigen Stil erzählt wird und gleichzeitig ernste Themen der italienischen Gesellschaft und insbesondere der Beziehungen zwischen Männern und Frauen berührt. In ihrem ersten Kriminalroman schlüpft die Autorin in die Rolle des männlichen Erzählers Ricco, in dessen kleiner Bar, einer ehemaligen Molkerei, man sich morgens zum Kaffee trifft und abends nach der Arbeit feiert. Es ist ein einfaches, ruhiges Leben, das er geniesst und das ihm erlaubt, die Menschen mit einem liebevoll-ironischen Blick zu beobachten, auch sich selbst.
Doch plötzlich steht Ricco im Mittelpunkt eines Ereignisses, das das Leben aller verändern wird. An Zeit mangelt es ihm nicht, seine Verlobte arbeitet als Lehrerin auf Zeit an einem weit entfernten Ort, und er kann die Bar immer einem aufgeweckten jungen Mann für eine Schicht anvertrauen oder, mit Vorbehalt, seinem Cousin Berto, einem Faulpelz, der eine Karriere als Journalist plant, während die lokale Zeitung freilich nur ab und zu einen Artikel von ihm veröffentlicht.
Die Veränderung hat einen Namen und ist verdammt schön. Nina betritt die Bar eines frühen Morgens hinter Emma, einer Freundin von Ricco. Emma und Nina waren in ihrer Schulzeit gut befreundet, haben dann aber den Kontakt verloren. Acht Jahre später findet Nina, der ein Praktikum als Journalistin bei der Gazzetta di Valdenza angeboten wurde, Emma auf Facebook und bittet sie um Hilfe bei der Wohnungssuche. Zusammen mit dem von ihrer strahlenden Schönheit eingeschüchterten Ricco identifizieren sie Mimma als ideale Vermieterin, eine Frau, die aus Mailand zugezogen ist, um eine ziemlich grosse geerbte Wohnung in Valdenza zu nutzen, in der sie mit ihrem Freund Marco lebt, einem Bankangestellten. Da sie selbst als Lehrerin auf Zeit lebt, ist sie immer bereit, ein Zimmer zu vermieten, um ihr bescheidenes Einkommen aufzubessern. Mimma nahm Nina kurzerhand auf, und Nina machte sich an die Arbeit, während die Männer in der ganzen Stadt verrückt nach ihr waren.
Eines Tages kam Mimma früher als sonst nach Hause und ertappte Nina und Marco auf dem Sofa beim Schachspielen. Sie vermutete jedoch, dass es sich nur um eine Tarnung handle, und stellte Marco zur Rede. Sie beschuldigte ihn, eine erotische Beziehung mit dem Mädchen zu haben. Sowohl er als auch Nina stritten das vehement ab, aber Mimma warf beide aus dem Haus. Nina fand ein Zimmer in der Wohnung von Bertos Freundin, während Marco sich ein Zimmer im ersten Hotel* der Stadt gönnte. Die beiden setzten ihre Leben scheinbar alleine fort, bis Nina ihrer Freundin Emma gestand, dass sie sich in Marco verliebt habe, so wie er sich in sie, und dass sie sich Mimma gegenüber schuldig fühle.
Einige Wochen später wurde die Stadt von der Nachricht erschüttert, dass Marco ermordet worden sei. Der arme Mann wurde an einem verlassenen Ort ausserhalb der Stadt aufgefunden, in einem neuen, eleganten Auto sitzend, das von aussen verschlossen war, in heruntergelassenen Hosen, den Kopf mit einem Stilett oder einem ähnlichen Instrument durch das Ohr durchbohrt. Spekulationen machten die Runde und Gerüchte über den Mörder und das Motiv. Es gab Hinweise darauf, dass eine Prostituierte ihn getötet habe; aber wie konnte Marco, der glücklich mit Nina verlobt war, bezahlten Sex suchen? Ausserdem deutete die Art des Mordes eher auf einen Mann als Täter hin. Mehrere Personen wurden verdächtigt. Die Polizei tappte im Dunkeln, und nicht einmal der Chefreporter der Gazetta und seine Assistentin Nina konnten Licht in den Fall bringen. Berto erkannte die Chance seines Lebens, ging zu Ricco und schwor, den Knüller zu landen, wenn er ihm bitte bitte bei den Nachforschungen hülfe.
Und so machten sie sich an die Arbeit, Berto entdeckte hier und dort bisher verborgene Fakten und Ricco ermittelte seinerseits von seiner Bar aus. Dabei hatten beide noch andere private Probleme zu lösen, nicht zuletzt die Fernbeziehung von Ricco und seiner Verlobten, die endlich mit einem richtigen Urlaub gefestigt werden musste, ganz zu schweigen von den langwierigen Vorbereitungen für die Hochzeit von Berto und seiner Frau, die sich nicht länger vermeiden liess. Dank der geschickten Kombination der gesammelten Erkenntnisse gelang es den beiden schliesslich, den Täter und sein Motiv zu identifizieren – pssst! –, eine unerwartete Enthüllung auf den letzten Seiten eines Buches, in dem ich noch stundenlang hätte lesen mögen…
* Valdenza ist der Name eines Vier-Sterne-Hotels zwischen Parma und Reggio, wahrscheinlich das Luxushotel, in dem es sich das Opfer in den letzten Wochen seines Lebens gut gehen liess. Allerdings gibt es in der Emilia keine Stadt dieses Namens, die nach den Angaben der in Parma lebenden Autorin etwa hier liegen sollte. Es handelt sich um eine fiktive Stadt – ähnlich dem Dorf Seldwyla in den Novellen des Schweizer Schriftstellers Gottfried Keller aus dem 19. Jahrhundert – , was es erlaubt, den Ort im Stil einer Karikatur mit übertypischen Menschen zu bevölkern.
Alice Mainardi: «Un giro di tango». 184 Seiten, Broschur. Massimo Soncini Editore, Parma, 2021. ISBN 9791280485021