Christoph Pfluger: Das nächste Geld

DnG_Umschlag

 

 

 

Falls Du ein Buch zu Weihnachten bekommen hast, das Du umtauschen möchtest, dann schlag ich Dir Pflugers Buch über das neue Geld vor. Das hat Dir bestimmt niemand geschenkt, denn Geld ist doch etwas furchtbar Kompliziertes, das mutet man noch nicht einmal einer Person zu, die man pflichthalber beschenken muss, nicht wahr.

Wieso man von Geld immer so spricht, als wär es kompliziertt, wirst Du Dich nach der Lektüre dieses Buchs verwundert fragen. Ist doch eigentlich ganz einfach! Wird bloss immer so dargestellt, damit wir uns ja nicht näher mit dem befassen, was unser ganzes Leben so kompliziert macht.

Die zehn Fallgruben des Geldsystems verspricht das Buch zu erklären. Es handelt sich um anschaulich beschriebene Mechanismen, die uns als «zu kompliziert» verborgen bleiben sollen, damit sie weiterhin systematisch zur zunehmenden Verschuldung der ganzen Welt führen. Genauer: der ganzen Welt mit Ausnahme einer kleinen Gruppe von Räubern.

Das interessanteste Kapitel kommt als Dessert: die Überwindung des Geldsystems durch die Schaffung eines neuen Geldes. Steckte das Buch bis hierher voller konkreter Beispiele, wird es jetzt visionär, fast märchenhaft.«Der Drache wird den Weg freigeben», verheisst der Untertitel so kühn wie geheimnisvoll. Pfluger unternimmt nichts weniger als den Versuch, uns dazu zu bringen, das System dazu zu bringen, dass es wie von selbst das Feld räumt. Und wie einer sanften Revolution der abgründige Schauder der Dialektik innewohnt, liest sich das letzte Kapitel wie eine Liste einander auf Anhieb widersprechender Anweisungen. «Wenn wir nicht wollen, dass die Andern (die Hüter des Geldsystem; Red.) das Unvermeidliche tun (es an die Wand fahren; Red.), dann müssen wir es selber tun. Das heisst: die Krise beschleunigen und den Zusammenbruch des Geldsystems bewusst herbeiführen.»

Und wie soll das vonstatten gehen, ohne dass wir uns selber schädigen? Die Kunst des sanften Kriegers besteht darin, die zehn Fallen zu kennen und zu umgehen, und: «Damit ein kollektiver friedlicher Vorstoss auf das Geldsystem funktionieren kann, muss er gleichzeitig offen erfolgen und unsichtbar bleiben.» Aha. Zum Beispiel? Pfleger spielt verschiedene bekannte Möglichkeiten durch. Lokale Parallelwährungen: die sind, wenn erfolgreich, von den Nationalbanken immer rasch verboten worden. Kundenbonussysteme wie etwa die Cumulus bei Migros: würden sich als neues Geld eignen, aber kein Warenanbieter wollte diese Chance bisher nutzen. Geldfreie Tauschgeschäfte: werden von Steuerämtern sehr ungern gesehen und nach Möglichkeit textiert. Besser schneiden bei Pfluger die Zeittauschsysteme ab, in welchen eine (private) Dienstleistung ein persönliches Guthaben generiert, das später bei Bedarf in Form von Dienstleistungen  bezogen werden kann; zum Beispiel: Ich leiste Betreuung und Hilfe von Betagten und erhalte ähnliche Hilfe, wenn ich sie einst selber benötige.

Warum sind diese Ansätze bei uns bis jetzt nicht verbreitet? Noch ist die Not zu wenig gross, sagt Pfluger, und noch sind rechtliche und steuerliche Fragen ungeklärt. Und genau diese Schwammigkeit gehört mit Absicht zum bestehenden Geldsystem.

Pfluger setzt vor allem Hoffnung in die Volksinitiative für ein Vollgeld-System in der Schweiz, die in den nächsten Jahren zur Volksabstimmung  gelangen wird. Sie würde die Schöpfung von virtuellem Geld verbieten und wäre «die aussichtsreichste, wenn nicht einzige Massnahme, ein Land auf demokratischem Weg vom betrügerischen globalen Finanzsystem zu befreien, ohne gleichzeitig die wesentlichen Rechtsverhältnisse aufzulösen.» Und wenn das misslingt? Dann versuchen wir’s eben mit alternativen Geldsystemen, und wenn auch die scheitern, verbessern wir unsere eigene Ökonomie mit einem hohen Anteil an Selbstversorgung und möglichst geringen finanziellen Abhängigkeiten.

Wer keine simplen Patentrezepte erwartet, sondern eine gute Auslegeordnung sucht, um sich zu orientieren und selber aktiv zu werden, wird für dieses Buch dankbar sein.

Edition Zeitpunkt, Solothurn, 2015, 246 Seiten,
Taschenbuch, ISBN: 978-395239553-0

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