Claudia Storz war mir zum erstenmal aufgefallen, weil sie im Mitgliederverzeichnis der damaligen Autorengruppe Olten alfabetisch gleich vor mir gereiht war. Das war auch richtig so, denn im Gegensatz zu mir hatte sie schon einen Roman geschrieben, «Jessica mit Konstruktionsfehlern» (1977). Ich erinnere mich, dass ich ihn damals mit Bewunderung für die literarische Auseinandersetzung mit den schwierigen leiblichen Erfahrungen der Autorin gelesen hab.
Erst vor kurzem und dank Facebook bin ich Claudia Storz wieder schriftlich begegnet und erfuhr so von ihrem neusten Buch, dessen Titel «Sperriges Leben» mich sogleich an die damalige Lektüre erinnerte. Manche Geschichten im schmalen Band sind wiederum autobiografisch, sie spiegeln Erlebtes und Erdachtes aus dem Alltag der Autorin, in einer kunstvoll einfachen, geraden Sprache, die mich so in Bann zieht, dass ich am Ende jeder Geschichte verdutzt aufblicke: Oh, schon fertig?, und in Gedanken dem möglichen weiteren Verlauf nachsinne…
Ich werde zur kleinen Tochter, die so gern am Fest teilnähme, das ihre Eltern an einem Sommerabend im Garten geben, aber zu Bett gehen muss, von wo sie sich auf den Balkon schleicht, um wenigstens von fern dabei zu sein – und dabei eine Entdeckung macht, die ihre fraglose Geborgenheit im Elternhaus erschüttert. Ich fühle mich nach Japan versetzt, willkommen geheissen von Bekannten, die sich alle erdenkliche Mühe geben, mir ihr Land von seinen besten Seiten zum zeigen, während ich kein Fettnäpfchen auslasse und mich zusehends unwohl fühle. Ich verabschiede meinen eben erwachsen werdenden Sohn, der mit Freunden aus seiner Maturaklasse im Auto nach Südfrankreich fährt, und fahre wenig später selber hin, um zu verstehen, warum ausgerechnet er bei einem Unfall ums Leben kommen musste, finde keine Antwort und keinen Trost…
Ganz besonders fasziniert mich die Geschichte, in welcher die Autorin Haushalt, Kinder und Schreiben alleine bewältigt, derweil ihr Partner einer etwas geheimnisvollen wissenschaftlichen Aufgabe wegen fern ist und zu lange fern bleibt und auf ihre Mails und Briefe selten und einsilbig antwortet. Die Autorin träumt sich schreibend in eine andere Schriftstellerin hinein, die alleine lebt, Ansporn beim Schreiben vermisst und schliesslich dem Angebot einer Stiftung folgt, auf Capri in Ruhe und unbesorgt an ihrem Text zu arbeiten. Ruh und Umsorge stellen sich freilich nicht ein, weder bei der echten noch bei der erfundenen Autorin; stattdessen verweben sich die Geschichten der beiden Personen bis hin in eine heimliche Identität. Diese längste – und nach atemlosem Lesen doch viel zu kurze – Geschichte des Buchs ist aus einer unglaublich intensiven Anschauung geschaffen und in einer Sprache erzählt, die ich sehr bewundere.
Claudia Storz: «Sperriges Leben. Erzählungen», 2017. eFef-Verlag, Wettingen. 219 Seiten, gebunden. ISBN 978-3-906199-11-5