Die aus Passion aufs Meer fahren

 

 

 

Die Römer Autorin Antonella Mei porträtiert in «I Passionauti» ganz unterschiedliche Menschen mit ihrer Passion für das Meer. In einem Land, dessen Küste fast 8000 Kilometer misst und das nicht zuletzt wegen seiner unzähligen Badestrände besucht wird, scheint das auf den ersten Blick selbstverständlich. Doch das Buch geht vom Erstaunen darüber aus, dass eine Kultur des Meeres gerade in Italien nicht besonders gepflegt werde, vor allem keine Kultur des Auf-dem-Meer-Seins.

Tatsächlich hatte sich schon die antike römische Seefahrt weniger durch kühnes Segeln auf hoher See ausgezeichnet als durch ein Verbleiben möglichst nah an der Küste; es waren in der Spätzeit Westroms die Vandalen, die von Nordafrika aus frech Kreuz und quer über das Mittelmeer zogen und an Schätzen raubten, was sie so kriegen konnten; auch Rom haben sie dabei einst geplündert, radikal zwar, aber ohne alles kurz und klein zu schlagen, wie es ihnen seither angedichtet wird.

Doch es gibt Begeisterte im Land, die vom Meer nicht mehr lassen. Einer von ihnen, der Architekt Giampietro Gioia, ist im Latium auf dem Land aufgewachsen, hat das Meer im Alter von acht Jahren zum ersten, mal gesehen und sich ein «fahrbares Boot» zugelegt, um immer wieder aufs Wasser zu können. Am Ufer des Lago di Bolsena liess er sich später nieder, mit Familien und einer kleinen Flotte, holte sich zahlreiche Regattapreise und fährt sommers mit Freunden und Booten nach Kroatien ans Meer.

Ein zweiter, Antonello Paone, konnte im Verlauf seiner Karriere bei der Polizia di Stato als Kommandant verschiedener Schifffahrts- und Tauchereinheit seine alte Leidenschaft fürs Tauchen einbringen, die ihn auch zur Unterwasserfotografie gebracht hatte; Bilder von ihm erscheinen bis heute in renommierten Zeitschriften.

Ein dritter, Rinaldo Vannini, setzt sich als Lehrer dafür ein, Segeln als Schulfach zu etablieren, weil er überzeugt ist, dass nichts ein Kind so herausfordern und festigen kann wie die zuverlässige Übernahme einer Aufgabe im Rahmen eines Teams bei Wind und Wetter; seine Initiative stösst allerdings bei den zuständigen Behörden auf wenig Entgegenkommen. Der Medizinprofessor Francesco Amenta seinerseits ist wissenschaftlicher Direktor des internationalen Zentrums für Funkmedizin, das bei Krankheit und Unfall auf hoher See Rat und Hilfe bietet; ein ganz anderer Einblick in die Seefahrt.

Alle zehn Personen – ausschliesslich Männer, zufällig und ohne Absicht der Autorin – interviewt Antonella Mei auf sehr persönliche Art und entlockt ihnen so deren Faszinosum, das sich auf den Leser überträgt. Selbst einem Admiral der italienischen Kriegsmarine entlockt sie erstaunliche Sätze: Man müsse die konsumistische Attraktion des Meeres in eine Begeisterung verwandeln, die sich mit einem Bewusstsein für Sicherheit, Umweltschutz und Lust am Navigieren verbinde, sagt Angelo Mariani, der einstige Präsident der Lega Navale.

Ein ganz besonderer Genuss ist das letzte Interview, in welchem Antonella Mei den längst verstorbenen Autor von «Moby Dick» befragt; sie hat die Antworten von Herman Melville aus unzähligen Stellen in dessen Schriften und Briefen zusammengetragen. Köstlich!

Meis Buch ist in einer Sprache geschrieben, die sich auch Fremdsprachigen mit fortgeschrittenen Italienischkenntnissen leicht erschliesst. Für sie empfiehlt es sich aber, nicht mit dem einführenden Kapitel zu beginnen, in welchem der Psychoanalytiker Bruno Tagliacozzi Jungs Wasser-Archetyp darlegt; der interessante Text ist schwieriger zu lesen.

Antonella Mei: «I Passionauti. Il mare nella nostra vita». CISU, Roma, 2016. 224 Seiten. ISBN 978-88-7975-633-4.

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