Plötzlich so unstill am See

 

 

 

Das beschauliche Konstanz am Bodensee, in grauer Vorzeit Austragungsort eines Jahre dauernden Konzils, von dessen ganz unkatholischen Verlustierungen ein frivoles Kunstwerk am Hafen zeugt, wird aus heiterem Himmel zum Schauplatz der Apokalypse. Dabei schien alles so wohlvorbereitet für eine grosse Kundgebung der Klimajugend in der Universitätsstadt, mit einer Ansprache der deutschen Greta als Höhepunkt. Den aber setzten finstere Kräfte: Schwerbewaffnete Rechtsextreme, die unvermutet aus ihren Verstecken auf den Plan traten mit der Absicht, den Anlass zu zerstören und die mediale Wirkung für ihre brutale Botschaft zu nutzen.

Was die Autorin in ihrem neusten «Bodensee-Krimi» auf gut dreihundert Seiten vorlegt, ist ein atemberaubender Roman, der den Zeitraum eines einzigen Tages umfasst und nichts auslässt, was Terrornachrichten hergeben, ohne dabei in Plattitüden oder Déja-vus zu verfallen. Der Plot ist überzeugend und sozusagen drehbuchreif; ich sah den Film beim Lesen plastisch vor mir. 

Was sich ein pensionierter Richter als Racheakt vermeintlich klug ausgedacht und mit der Hilfe gewaltbereiter Typen auszuführen beabsichtigt hatte, läuft rasch und zielstrebig aus dem Ruder und fliegt selbst dem Urheber gehörig um die Ohren. Die schon mit der Kundgebung und ihren möglichen Folgen beschäftigte Polizei wird mit zwei parallelen Geiselnahmen überfordert: Sie muss die drohende Hinrichtung von über hundert Menschen verhindern, aber nicht durch die Erfüllung der Forderung der Bande, eine bestimmte Person zu liquidieren. Von Stunde zu Stunde, Kapitel um Kapitel wachsen die Ausweglosigkeit der Lage und die Spannung, bis endlich intensive Teamarbeit im Hauptquartier und die verwegene Schlauheit eines Kommissars dem Spuk ein rasches Ende ohne grosses Blutvergiessen bereiten.

Mehr sei hier nicht verraten. Das Lesen dieser gradlinig und rasant erzählten Geschichte soll ja nicht nur mir Schauder und Genuss bereiten.

Tina Schlegel, «Still schweigt der See». Emons, Köln, 2020. Taschenbuch, 316 Seiten, ISBN 978-3-7408-0936-2

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