Archiv für die Kategorie ‘Film’

Einmal rund um die Welt ohne Flug

Mittwoch, 25. Dezember 2024

Weit gehen. Einmal rund um die Erde, und stets auf der Erde, also ohne zu fliegen. Und sich dafür alle Zeit lassen, drei Jahre (2013-2016) bis zur Heimkehr, und nicht in kurzen 80 Tagen wie in Jules Vernes seinerzeitigen Vorstellung. Als Paar unterwegs mit nichts als dem, was sich tragen lässt, wenn man zu Fuss gehen will oder muss, falls mal kein Auto kommt und einen ein Stück weiter mitnimmt.

Ich sitze da und schau gebannt in diesen Film, zwei Stunden lang, und würd am liebsten gleich mitziehn, unterwegs sein, unbekannten Menschen begegnen und weiterziehend sie als Freunde zurücklassen, immer weiter, neugierig und nicht wissen, was morgen sein wird… Da waren einst so viele Ideen. Mit den Kindern im Zirkuswagen durch die Welt ziehen. Mit spätestens 70 von Nordafrika bis Sibirien trampen. Es blieben Träume, es blieb vorwiegend bei Reisen in ferne Landschaften mit dem Finger auf der Landkarte. Und doch ist es möglich, ich freue mich für die beiden, hab ihre Reise und all ihre Begegnungen genossen, als wär ich dabei gewesen.

Ich glaube, genau darum «funktioniert» dieser Film und hat in Deutschland derart viele Menschen erreicht. Es ist nicht allein der Bilderreichtum wie in einem Kaleidoskop, die gut geschnittene Abfolge wunderbarer Bilder aus ganz verschiedenen Lebenswelten, bunt und heftig, dann wieder ruhig und pastell und endlos; es ist vor allem der tief schlummernde Traum in uns, den Gwendolin Weisser und Patrick Allgeier in und mit ihrem wundervollen Film wachrufen, und sei’s bloss, dass wir zwei Stunden lang verzaubert mitgehen, einmal im Leben alles zurücklassen und einfach drauf los ins Ungewisse.

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Flaschenpost an sich selbst

Freitag, 13. Dezember 2024

Der Film «Message in a Bottle» hatte nach seinem Kinostart 1999 vorwiegend schlechte Kritiken, las ich, als ich 25 Jahre später zufällig auf ihn einen Trailer stiess. Zum Glück hab ich mir den Film dennoch angeschaut; er ist für mich einer der zartesten Filme über die Entwicklung einer starken, aber schwierigen Liebesbeziehung, fein und humorvoll und ernsthaft erzählt und kongenial gespielt.

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Come on, Come on

Sonntag, 17. November 2024

Jesses Vater Paul ist psychisch erkrankt, seine Mutter Viv muss neben ihrer Arbeit ganz für ihren Mann da sein. Jessies Onkel Johnny, ein alleinstehender Radioreporter in New York, bietet an, für ein paar Tage nach Los Angeles zu kommen und sich um seinen Neffen zu kümmern. Doch Pauls Krankheit wird schlimmer, er muss in die Klinik, will aber, dass Viv bei ihm bleibt, bis es ihm ein bisschen besser geht. Johnny muss zurück nach New York für ein paar neue Interviews mit Kindern, die er über ihr Leben, ihre Gedanken, über die Zukunft und über die Erwachsenen befragt. Jesse will mit ihm nach New York fliegen, und Viv lenkt schliesslich ein. Aus den paar Tagen wird eine lange Zeit, lang genug, dass Johnny und Jessie sich richtig kennen und verstehen lernen, der etwas verschrobene Journalist und der umwerfend quirlige und verrückte neunjährige Junge.

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Una giornata particolare

Freitag, 03. Februar 2023

Der Spielfilm von Ettore Scola (1977) lebt von den beiden grossartigen Hauptdarstellern Sophia Loren und Marcello Mastroianni und vom abgrundtiefen Kontrast zwischen dem im Hintergrund stets hörbaren Massenaufmarsch anlässlich des Empfangs von Hitler durch Mussolini in Rom (6. Mai 1938) samt dessen Widerhall im laut aufgedrehten Radio der Blockwartin und der leisen, feinen Begegnung zweier im voluminösen Wohnblock zuhause Gebliebener: Die Frau eines faschistischen Beamten, der mit den sechs Kindern zum Umzug aufgebrochen ist, und ein wegen unangepassten Verhaltens entlassener Radiosprecher.

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Cinema Paradiso

Donnerstag, 22. Dezember 2022


Still aus dem Film mit Philippe Noiret (links) und Salvatore Cascio

Eines Abends hatte ich mich mit A. kurz über zeitgenössische italienische Musik ausgetauscht. Der Name von Ennio Morricone drehte danach noch eine Weile in meinem Kopf herum, ich hörte mich durch ein paar Links auf YouTube und stiess so auf den Film «Cinema Paradiso» aus dem Jahr 1988, den ich damals verpasst hatte. Wer schon neben mir im Kino sass, weiss, dass ich bei Szenen, in denen sich Menschen in Schwierigkeiten befinden, ein ganzes Leintuch statt Taschentüchern benötige. Dieser Film gab mir reichlich Gelegenheit dafür, zumal ich die fast dreistündige Fassung erwischt hatte. 

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Werner Herzogs Kaspar Hauser

Samstag, 02. April 2022

Videostill aus dem Film

Was für ein feiner Film, was für schön sich einprägende Bilder, wie viel Mitmenschlichkeit in einer Zeit, in der wir sie weniger vermutet hätten als heute, wo’s doch jetzt schon schlimm genug ist…

Werner Herzogs frühen Film über die Geschichte von Kasper Hauser hab ich damals 1974 verpasst und danach vergessen; dank Veit Stauffers Hinweis hab ich ihn jetzt endlich gesehen und bin sehr begeistert vom Spiel, der Darstellung und immer wieder von den Bildern. Die spanischen Untertitel – gesprochen wird Deutsch – in der einzigen in voller Länge auf YouTube verfügbaren Version vermögen den gewaltigen Eindruck nicht zu schmälern.

L’Avventura

Mittwoch, 17. Februar 2021

Dieser Spielfilm von Michelangelo Antonioni aus dem Jahr 1960 erzählt die an sich beliebige und insofern völlig uninteressante Geschichte eines Liebesabenteuers in der jungen Generation der italienischen Bourgeoisie zur Zeit des industriellen Wiederaufschwungs nach dem zweiten Weltkrieg. Wie auch in anderen seiner Filme zeichnet Antonioni ein schonungsloses Bild der inneren Orientierungslosigkeit vor einer modern-kalten Kulisse scheinbaren Fortschritts – so später vor allem in «L’Eclisse» (1962), der die «Trilogie der Kontaktunfähigkeit» abschliesst, zu der «La Notte» (1961) sowie eben «L’Avventura» gehören, und in «Deserto Rosso» (1964), alle drei mit der unvergleichlichen Monica Vitti in Hauptrollen.

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Afghanisches Epos

Montag, 13. April 2020
Videostill aus dem Film

Ein gewaltiges Epos über ein Land, das in den vergangenen vierzig Jahren nur Krieg erlebt hat, der stets durch Grossmächte gefördert wurde, bis sie das Land wegwarfen wie einen alten schmutzigen Lappen. Grandiose Landschaften, erhellende Porträts von einzelnen Frauen und Männern, die in Afghanistan eine Rolle spielten, als zerstrittene Kriegsfürsten, Kriegspoeten, Glaubenskrieger oder als Anhängerinnen einer zivilen, laizistischen bis moderat muslimischen Gesellschaft. Berührende, berückende und bedrückende Szenen, manchmal niederdrückend vor Zorn und Scham über das, was unter aller Augen, die es sehen wollten, einem Land, das einigermassen in Einklang mit sich und seiner Umwelt gelebt hatte, in jüngster Zeit und in steter Verletzung des Völkerrechts angetan werden durfte.

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Sozialkritik der Situation alleine gelassener Mütter

Samstag, 04. Januar 2020

 

«Polizeiruf 110» ist ursprünglich eine Krimiserie des Fernsehens der DDR, die ab 1971 als Gegenstück zur westdeutschen Serie «Tatort» wöchentlich ausgestrahlt wurde. Nach der Wende wurde sie vom Ersten Deutschen Fernsehen (ARD) übernommen und, ähnlich wie der «Tatort», von verschiedenen Studios im Wechsel und von Mal zu Mal mit unterschiedlichem Geschick produziert wird. (mehr …)

Ein Meister der Achtsamkeit im Kleinen

Mittwoch, 11. Dezember 2019

 

 

 

 

Handke hatte mich nie angesprochen, ich hatte kaum etwas von ihm wahrgenommen, bis mein Bruder mir vor ein paar Jahren «Immer noch Sturm» zu lesen empfahl, und auch seither habe ich mich nicht nach Büchern von ihm umgeschaut, mich erst mit ihm zu beschäftigen begonnen, als die Kritik wegen der Verleihung des Nobelpreises losbrach, an ihm, dem «Milosevic-Verehrer», dem «Srebrenica-Leugner» und was der Etiketten mehr sind. (mehr …)