Liebe und Treue in Kriegszeiten

 

 

 

 

 

Niemand kann alles lesen, kaum ist es erschienen. Darum sind Bücher eine wahre Rettung – ich kann sie auch viel später lesen, wenn sie zum Klassiker geworden sind, so wie Alex Capus’ Roman «Léon und Louise», auf den ich erst Jahre nach dessen Erstauflage zufällig aufmerksam geworden bin. Was der Autor hier ausbreitet, ist ein über die beiden Weltkriege hin angelegter Bilderbogen, der die Schrecknisse und Wirrnisse aus der Perspektive eines Manns und einer Frau schildert, die sich jung verlieben und aller erzwungenen Trennungen und persönlichen Verstrickungen zum Trotz bis ans Ende ihres Lebens nie verlieren.

In der Person des Enkels des eben verstorbenen Léon erzählt Capus zugleich die Geschichte seiner Familie, vor allem jene der Ehe seines Grossvaters mit Yvonne, die von Achtung, Vertrauen und Treue geprägt war, so sehr Léons Liebe zu Louise für beide Ehepartner offenkundig war – eine seltsame Dreiecksbeziehung über Jahrzehnte hinweg, von Yvonne nicht nur geduldet, sondern gar gefördert im Wissen um die Verlässlichkeit ihres Gatten und die Unmöglichkeit jener anderen Beziehung. Die drei Personen werden im Erzählen zum Greifen nah, der stets liebenswürdige, in sich versponnene und eigensinnige Léon, die wechselhafte, doch starke und umsorgende, ihre Familie durch alle Unwägbarkeiten der besetzten Stadt Paris hindurch behütende Yvonne und die burschikose, unzähmbare, auf sich allein gestellte und wunderbare Briefe schreibende Louise – ich lege das zu Ende gelesene Buch beiseite mit dem Bedauern, den drei Personen nicht länger folgen zu dürfen.

Es ist ja überhaupt eine Zumutung, dass dieser Roman nach wenig mehr als dreihundert Seiten einfach endet. Capus erzählt mit einer Fabulierkunst und einem Bilderreichtum, die mich an meine jugendliche Lektüre von Karl May erinnern. Ich möchte mich gar nicht aus diesem grossartig zubereiteten Lesegenuss verabschieden, zumal ich dabei intime Einblicke in Lebensumstände zu Zeiten erhalte, die ich bestenfalls aus Geschichtsbüchern erahnen kann, und mit ein paar der grossen Fragen auch meines Lebens konfrontiert werde. Zum Glück gibt es zahlreiche weitere Bücher dieses Autors, die ich noch entdecken kann.

Alex Capus, «Léon und Louise». dtv, München, 2019. Taschenbuch, 315 Seiten, ISBN 978-3-423-14128-4

Kurzes Porträt zum Autor und seinem Buch

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