Die Infantilisierung der Kommunikation — — —       #SchauHier!  #SchauHier!  #SchauHier!

Die Menschen haben keine Zeit, Aufmerksamkeit ist ein knappes Gut, die Konkurrenz darum ist enorm – also sag es kurz!

Doch weil das Schreiben von einleuchtenden Slogans und lange nachwirkenden Aphorismen eine Kunst ist, die wenige beherrschen, gerät die Verkürzung meist zur Verflachung: Der Text bleibt an der Oberfläche, bewirtschaftet einen isolierten Aufreger, leuchtet keine Zusammenhänge aus.

In den sozialen (?) Medien

Hingerotzter Content ohne konkrete Inhalte, nach dem Gesetz der grössten Kurzaufmerksamkeit grafisch aufgemotzt.

Bilder als reine Hingucker, nicht als Boten des Inhalts, die das Auge und dann den Geist festhalten und zu sich verführen.

Layouts in Print und online seriell, auf Smartphones zugeschnitten, bar jeder Diversität und Gleichzeitigkeit – beides würde nur stören beim Zappen von einem Content-Häppchen zum nächsten, um ja nichts zu verpassen…

Und Postings in Dauerserie, hier ein Link, dort ein Bild, Angelesenes und Angeschautes wird sozusagen wortlos aufs eigene Profil geklatscht: da, bitte sehr! Bitte was? Gibt es vielleicht bitte eine kurze Zusammenfassung samt Begründung, warum ich den verlinkten Artikel lesen soll oder warum du findest, das Bild sollte mir was sagen; und was sagt es dir?

In den grossen (?) Medien

Infantilisierung auch im bislang seriösen Kulturprogramm von Radio SRF, etwa in der Sendung Kontext, ja sogar im Wissenschaftsmagazin: pseudodialogisch, pseudopädagogisch, geschwätzig und voller störender Töne, Pseudointerviews, in welchen ein Redaktionsmitglied ein zweites über ein Thema befragt, in welches sich das erste vertieft hat – eine Art Verschnitt zwischen Smalltalk und Making of, billige Sendeminutenschinderei im Stil einstiger Zeilenschinder zweitklassiger Presseorgane. Wissenschaft und Kultur lassen sich doch nicht mit einem Geplapper über Wissenshäppchen vermitteln, sondern in einem Prozess des Verstehens und weiteren Fragens, und das würde ein Feature weit besser leisten als ein redaktionsinternes Geplauder.

Im medialen Auftritt von NGOs

Selbst für ein Anliegen kämpfende NGOs bedienen sich heute der Kommunikation in Häppchen: eine Schlagzeile, ein Bild, zwei Buttons: hier unterschreiben!, hier spenden! Nicht einmal mehr NGOs mögen ihren Anhängern zumuten, längere Texte zu lesen – warum eigentlich nicht? Wer sagt denn, dass sie sich nicht in eine Reportage oder Kurzgeschichte vertiefen möchten, um besser zu verstehen? Zum Beispiel, dass Phänomene wie «Klimakrise», «Artensterben», «Armut», «Krieg» sich nicht zuletzt deswegen so erschreckend ausbreiten, weil kaum jemand sich Zeit nimmt, sich mit den Zusammenhängen und Hintergründen auseinanderzusetzen. Klick-Users und Spontanspender mögen eine Kampagne befeuern, sie sind aber kaum das Fundament der nachhaltigen Veränderung, um die es im Kern gehen müsste.

Nur noch banale Antworten

Ein Aufmerksamkeit erregender Titel, ein auf den Punkt geschriebener Anriss, ein neugierig machendes Bild mit einer treffenden Bildlegende müssten nicht für sich alleine stehen bleiben, sondern könnten, geschickt gemacht, in den langen Text hineinführen. Einst war das gutes Handwerk; es hätte noch heute goldenen Boden. Ansonsten gilt Roger de Wecks professionelle Warnung:

«An reisserische Titel hat man sich bereits gewöhnt. Ein weiteres Phänomen ist, dass der Vorspann zu Beginn von Artikeln nicht mehr zusammenfasst, worum es geht, sondern eine aufsehen­erregende Frage aufwirft, um das Publikum zur Lektüre zu locken. Geübte Leserinnen und Leser überfliegen den Text, bis sie im sechsten oder siebten Absatz auf die eigentlichen News stossen, und dann steigen sie aus – nicht selten enttäuscht von der banalen Antwort auf die vermeintlich spektakuläre Frage. (…) Wir werden Zeugen eines Struktur­wandels der veröffentlichten Meinung: Die Themen­auswahl und -präsentation ist einzig auf die Nachfrage ausgerichtet anhand des von Minute zu Minute erfassten Verhaltens der User. Das Angebot ist nachrangig: Hauptsache, die Nachfrage stimmt.»

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