Der Hamburger Journalist Manfred Kriener setzt sich seit vielen Jahren kritisch mit Fragen rund um den Zustand der Umwelt und unserer Ernährung auseinander, auch mit Fragen rund um den Zustand der Meere und der Fischbestände. Ich schätze ihn als schreibgewandten Fachmann in diesen Themen.
Auch in seinem neusten Sachbuch [1] berichtet Kriener in gewohnt launiger und lesefreudiger Weise und bringt interessierten Laien die Welt der Fische und das Marktgeschehen mit ihnen näher. In kurzen Kapiteln kann man sich rasch informieren über die Erschöpfung vieler Fischbestände durch industrielle Überfischung, den Missbrauch der Meere als Müllkippen und die zunehmende Erwärmung der Meere. Kenntnisreich beschreibt Kriener die besondere Lage in der Nordsee, in der Ostsee und im Bodensee und streift die Probleme in der Aquakultur, um den Tour d’Horizon mit einigen kritischen Bemerkungen zur in Deutschland verbreiteten Freizeitanglerei zu beschliessen. Dem Buch beigefügt sind, eine schöne Idee, 21 Portraits von besonders gefragten Fischarten, vom Aal über die Regenbogenforelle bis zu Wels und Zander.
Krieners Buch ist ein guter Einstieg für Fischessende, die über den Tellerrand hinaus denken möchten. Seine flotte Schreibe enthält allerdings gelegentlich etwas Fischerlatein; ich erlaube mir daher den folgenden Beipackzettel, genauer:
Ein paar kritische Anmerkungen
Einer der seit langem konsequentesten Kritiker der deutschen und europäischen Fischereipolitik, der Kieler Fischereibiologe Rainer Froese, wird im Buch etwas nebenbei zitiert. Wiederholt zu Wort kommt dagegen sein Gegenspieler Christopher Zimmermann, der lange noch die Illusion aufrecht hielt, die Hering- und Dorsch-Bestände in der Ostsee hätten sich wieder erholt. Leider eben nicht.
Zu gut weggekommen im Buch die Landwirtschafts- und Fischereipolitiker, die jahrzehntelang überfischen und überdüngen liessen – auf sie gehörte jetzt massiver Druck ausgeübt, damit die Fischerei erschöpfte Bestände bis zu deren Erholung eingestellt wird, und damit Landwirtschaft, Industrie und Haushalte endlich nicht mehr Nährstoffe in die Gewässer einbringen, als diese umsetzen können.
Die Besatzfischzucht als übliche Antwort auf den Mangel an Fischen der gefragten Arten in der Ostsee und im Bodensee mit der zu begegnen, verdiente eine radikale Kritik. Das Einsetzen von künstlich erbrütetem Nachwuchses glänzt vor allem mit fragwürdigem Resultat und unerwünschten Nebenwirkungen auf die Biodiversität. Wäre es – wenn schon Nachzucht – nicht ehrlicher, die «fehlenden» Fische direkt aus Zucht zu liefern? Noch klüger wär’s freilich, sich auf den veränderten Ertrag der Fischerei einzustellen. Statt an nicht mehr funktionierenden Mustern festzukleben, während sich das Leben in den Gewässern – menschgemacht – verändert, könnte man sich ja etwa fragen, was sich denn aus den neuen Arten machen liesse, die die Gewässer erobern.
Rat für Konsumenten?
Man erfährt in Krieners Buch viele interessante Details über die Veränderungen in den Gewässern, über die daraus rührenden Probleme für die einzelnen Fischarten und die Fischer selbst. Das alles fügt sich zu einem etwas erdrückenden Bild. Ratlos an der Fischtheke, so der Titel eines Kapitels, ist man nicht zuletzt wegen dieses Hintergrundrauschens, das man als Konsument nun schon seit Jahren in den Medien mitbekommt. Die Frage, welchen Fisch man den noch essen darf, wenn überhaupt, plagt wohl manche Kundin und manchen Gast, und Fischlisten und Labels machen die Qual der Wahl nicht leichter, wie Kriener zu recht feststellt. Erstaunlicherweise lässt er aber die einfachste und wirkungsvollste Handlungsanweisung unerwähnt, die der ihm bekannte Verein fair-fish seit 2011 propagiert: maximal eine Fischmahlzeit pro Monat [2]. Das würde es den erschöpften Fischbeständen erlauben, sich wieder ganz zu erholen; danach könnten die Fischerträge sogar höher ausfallen als heute und einen grossen Teil der problematischen Aquakultur ersetzen. Der gegenwärtige durchschnittliche Fischverzehr in den deutschsprachigen Ländern ist mit einmal pro Woche rund vier mal so hoch und weit jenseits von nachhaltig.
Und die Tiere?
Würden Landtiere gejagt und in Massen gefangen wie die Fische, es gäbe massiven Aufruhr. Aber noch immer beschränkt sich die Kritik auf die Überfischung, also auf die Übernutzung der Fischbestände, und auf mögliche Schäden am Meeresgrund durch Grundschleppnetze. Das Leiden der Fische vom Fang bis zum qualvollen Tod ist kaum Thema. Was dabei gleichzeitig zu kurz kommt, ist die Diskussion um die Qualität des Fischs auf dem Tisch; dabei ist Fleisch von gestressten und geplagten Tieren nachweislich von geringerer Qualität. Schon aus Egoismus würde es sich lohnen, Wert auf einen schonenden Umgang mit Fischen beim Fang zu legen.
Solche Überlegungen sind leider auch in Krieners Buch kaum zu finden; der Titel spricht bereits von «Fisch» (als Rohstoff-Äquivalent zu Fleisch), nicht von Fischen als Individuen. Auch den an sich liebevollen Fischportraits fehlt nicht nur eine Bebilderung, sondern auch etwas mehr biologische Information, die Laien ein wenig nachvollziehen liesse, was Fischen dieser oder jener Spezies in Fischerei und Aquakultur widerfährt. Gute Quellen [3] hierfür gibt es ja.
Trotz dieser kritischen Bemerkungen empfehle ich Krieners Buch allen, die sich näher mit dem Fisch auf ihrem Teller auseinanderzusetzen beginnen möchten.
Manfred Kriener und Stefan Linzmaier: «Fisch in Seenot>. Über den sorgsamen Umgang mit einer gefährdeten Ressource». 231 Seiten, Paperback, Hirzel Verlag, Stuttgart 2024. ISBN 978-3-7776-3399-2
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Quellen:
[1] siehe die Besprechung zu Krieners früherem Sachbuch «Leckerland ist abgebrannt»
[2] Edible Fish Consumption (Seiten 18 f.)