Die Zeiten werden härter, die Habenden unverschämter. Das ist nichts Neues, aber es ist immer wieder erhellend, auf welche Weise versucht wird, der Mehrheit das Geld aus der leeren Tasche zu klauen.
Seit 1996 ist die Mitgliedschaft in einer Krankenkasse in der Schweiz obligatorisch. Anstatt diesen Pseudo-Markt einer staatlichen Institution zu übertragen (wie etwa bei der ersten Säule der Altersvorsorge), überliess man ihn weiterhin einer Vielzahl von Krankenkassen – und jährlich steigenden Prämien. Nachdem alle halbherzigen Versuche zur Eindämmung der Prämienanstiege fehlgeschlagen haben, kommen nun rabiatere Vorschläge auf den Tisch. So fordert der Direktor des Krankenkassenverbands Santésuisse, Stefan Kaufmann, dass kurze Arztbesuche in Zukunft von den Patienten selbst berappt werden müssten. «Viele Störungen verschwinden von selbst wieder», meint Kaufmann. «Wir sollten damit aufhören, dass die Krankenkassen jeden Luxus und kurzen Arztbesuch finanzieren.»
Bezüglich Luxus mag man Kaufmann recht geben: Massnahmen vom Kaliber einer Herztransplantation sind Luxus angesichts der Tatsache, dass jedes Leben einmal sein Ende hat und dass selbst finanzieren soll, wer das nicht wahrhaben will. Aber ein Arztbesuch von 15 Minuten im Falle einer Unsicherheit hat mit Luxus nichts zu tun; die dadurch verursachten Kosten sind weit geringer als die Folgen einer Politik, welche die Patienten von den Aerzten fernhalten möchte.
Kaufmann möchte auch prüfen, «welche Medikamente die Patienten künftig selber berappen könnten». Eine tolle Idee, die in Drittweltländern längst realisiert ist und dort dazu führt, dass Kranke allenfalls zum Arzt gehen, sich dann aber die Therapie nicht leisten können. Kaufmann denkt etwa an Hustensirup. Er habe sich kürzlich auch einen gekauft, «für 21 Franken, aber aus dem eigenen Sack bezahlt».
Man kann eigentlich nur hoffen, dass Kaufmann bald arbeitslos wird, damit er mal erlebt, wie schön das ist, wenn man sich einen Hustensirup nicht leisten kann. Arbeitslos würde er, wenn endlich die Krankenkassenmitglieder erwachen und sich daran erinnern würden, wie Krankenkassen entstanden sind: als Hülfsvereine von Arbeiterfamilien, die sich solidarisch gegen Unbill organisierten – und gewiss nicht, um denkfaule Funktionäre zu mästen.
“ … Eine tolle Idee, die in Drittweltländern längst realisiert ist und dort dazu führt, dass Kranke allenfalls zum Arzt gehen, sich dann aber die Therapie nicht leisten können…“
das beobachte ich hier in Brasilen. leute, die sich eine (teure) krankenkasse leisten können, geniessen zwar gute betreuung und medizinische spizenmedizin, oft fehlt ihnen dann aber für die therapie das geld für die verschriebenen medikamente.