Diether Grünenfelder: «Die Reise nach Limbo»

diether

 

Wer Diether Grünenfelder persönlich kennt, wird in den beiden männlichen Protagonisten seines «Sittenbild einer alternden Szene» unschwer biografische Stücke von ihm selber finden. Wer ihn nicht näher kennt, sich selbst aber in der linken Szene im Grossraum Zürich bewegt hat, wird unschwer Bekanntes erkennen.

Doch weder das eine noch das andere ist Voraussetzung zum Gewinn aus der Lektüre dieses Romans. Das «Sittenbild» liesse sich von manch anderer Stadt in der Schweiz, im deutschen Sprachraum, in Westeuropa überhaupt ähnlich schreiben, in etwas anderer Sprache, mit etwas anderem Lokalkolorit. Im Kern geht es darum, wie ein im engagierten Widerstand geführtes Leben im dritten Alter lustvoll weiterzuführen ware. Die Rückblicke der beiden Frauen und der beiden Männer auf ihren je eigenen Weg und auf die jahrzehntenlange Verbundenheit zu viert sind individuell verschieden, aber nachvollziehbar und in Einzelheiten vertraut, als wären es biografische Zitate aus dem eigenen oder aus einem bekannten Leben. Die Schlussfolgerung ist umso überraschender.

Dass die vier Pensionistenen beschliessen, in einer noch zu bestimmenden Form in ein gemeinsames Haus zu ziehen, womöglich mit weiteren Menschen und weiteren Generationen, und einander bis zum Tod zu helfen, ohne die je sehr eigene Lebensart dem brüchigen Charme einer Alters-WG zu opfern, ist ein kühner Entwurf in einer alternden Szene, die es allen ihren einstigen Ansprüchen zum Trotz bis heute nicht geschafft hat, gesellschaftliche Modelle zu schaffen, die auch «Nichtmehrzwangsproduktive» und Greisenen den ihnen zustehenden Raum bieten statt einfach Pensionistenhyperaktivität und später ein Wartezimmer auf den Tod.

Als müsste das Kühne, noch erst selten Versuchte den Leserenen mit Humor leichter gemacht werden, hat sich die Viererband auf ihrem Trip nach Sumatra und durch ihre Leben noch was ganz Lockeres einfallen lassen, was gemeinsam sogleich umgesetzt wird, sozusagen als musischer Einstieg ins gemeinsame Altern. Eine Pointe, die hier nicht verraten sei; denn dieses Buch verdient Käuferenen!

BOD, 2014, ISBN 978-3-732289-57-8

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