Schildkröten können nichts dafür

17. Januar 2025

Den ganzen Vormittag hatte ich vergeudet mit Verkehrsproblemen, bis ich endlich am Treffpunkt ankam. Es hatte damit begonnen, dass ich vergeblich versuchte, mit meinem Handy ein Billett zu lösen; schliesslich schaffte ich es in letzter Minute mit meiner Kreditkarte an einem Automat. Im fahrenden Zug fragte ich mich dann allerdings, ob die vorbeiziehenden Häuser wirklich zu der Strecke nach Zürich gehören. Als ich etliche Passagiere wahrnahm, die üblicherweise in der selben Richtung wie ich unterwegs waren, entspannte ich mich. Drei von ihnen erkannten mich, setzten sich in meine Nähe und begonnen herumzualbern und zu singen; einer klimperte dazu auf einer Gitarre, die er unversehens in der Hand hatte.

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Künstliche Idiotie (KI) #4: Wir Idioten

14. Januar 2025

Wenn statt tumber Algorithmen fortan die User auf den sozialen Netzwerken selber Polizei spielen sollen, wie es Zuckerberg vorschwebt, dann wird das kein Siegeszug der freien Rede, wie Musk behauptet, sondern noch mehr Krieg [1].

In der Internet-Realität spielen User längst Räuber und Polizist, organisieren sich in Bubbles, die sie von Andersdenkenden säubern und von wo aus sie diese attackieren. Es herrscht längst Krieg auf den sozialen Netzwerken, und Frieden findet nur, wer sich eine kleine überschaubare Gruppe von Freunde schafft – doch genau das war ja nicht das Versprechen  sozialer Netzwerke, dafür hätte es genügt, bei den guten alten E-Mail-Gruppen zu bleiben.

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Cities existed existed earlier and were more egalitarian than previously thought, and pristine nature is a myth

11. Januar 2025

Correcting cherished beliefs:

One of Europe’s longest-lived civilisations, the so-called Cucuteni-Trypillia in central-eastern Europe, could live in cities consisting of up to 3,000 houses, all of the same size, style and layout, with no sign of social hierarchy. After more than 2,000 years of existence, the culture disappeared around 3400 BC. Scientists have not yet been able to determine the reason for the cities‘ demise. Various factors probably played a role: a climate shift towards lower temperatures had a negative impact on the sedentary and self-sufficient agrarian and possibly matriarchal society and made it vulnerable to invasion by nomadic and patriarchal peoples from the east. [1]

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Gebrüll von rechtaussen kann Bravheit nicht übertönen

08. Januar 2025

Der Abspann am Ende der Podcasts bzw. Aufzeichnungen von Sendungen auf Schweizer Radio spiegeln die verknöcherte Struktur des Besitzers und dessen Hilflosigkeit, wenn es um ein wirksames und gewinnendes  Branding geht – das gerade im bevorstehenden Abstimmungskampf in eigener Sache nicht ganz unwichtig wäre.

Schon schriftlich wirkt der Abspann mit zwei nichtssagenden Akronymen müde. Mündlich ist er noch weniger überzeugend. Die erste Zeile wird unterkühlt vorgetragen, die zweite klingt sogar wie aus einem entfernten Raum.

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Das Sprengstoffexperiment

08. Januar 2025

Ich hatte mich bereit erklärt, als psychologisch ausgebildeter Verhaltensforscher beobachtend an einem Experiment zum Umgang mit Extremgefahren teilzunehmen. Die übrigen etwa zwanzig Personen, mit denen ich gemeinsam in einen grossen unterirdischen Raum geführt wurde, waren nach Alter und Geschlecht gut gemischt. Vier von ihnen führten etwas Material mit, das sie auf einem Tisch an einer Seite des Raums aufbauten, während sie uns erklärten, sie seien Chemiker und Gefahrenexperten und würden nun das Experiment starten. 

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Einmal rund um die Welt ohne Flug

25. Dezember 2024

Weit gehen. Einmal rund um die Erde, und stets auf der Erde, also ohne zu fliegen. Und sich dafür alle Zeit lassen, drei Jahre (2013-2016) bis zur Heimkehr, und nicht in kurzen 80 Tagen wie in Jules Vernes seinerzeitigen Vorstellung. Als Paar unterwegs mit nichts als dem, was sich tragen lässt, wenn man zu Fuss gehen will oder muss, falls mal kein Auto kommt und einen ein Stück weiter mitnimmt.

Ich sitze da und schau gebannt in diesen Film, zwei Stunden lang, und würd am liebsten gleich mitziehn, unterwegs sein, unbekannten Menschen begegnen und weiterziehend sie als Freunde zurücklassen, immer weiter, neugierig und nicht wissen, was morgen sein wird… Da waren einst so viele Ideen. Mit den Kindern im Zirkuswagen durch die Welt ziehen. Mit spätestens 70 von Nordafrika bis Sibirien trampen. Es blieben Träume, es blieb vorwiegend bei Reisen in ferne Landschaften mit dem Finger auf der Landkarte. Und doch ist es möglich, ich freue mich für die beiden, hab ihre Reise und all ihre Begegnungen genossen, als wär ich dabei gewesen.

Ich glaube, genau darum «funktioniert» dieser Film und hat in Deutschland derart viele Menschen erreicht. Es ist nicht allein der Bilderreichtum wie in einem Kaleidoskop, die gut geschnittene Abfolge wunderbarer Bilder aus ganz verschiedenen Lebenswelten, bunt und heftig, dann wieder ruhig und pastell und endlos; es ist vor allem der tief schlummernde Traum in uns, den Gwendolin Weisser und Patrick Allgeier in und mit ihrem wundervollen Film wachrufen, und sei’s bloss, dass wir zwei Stunden lang verzaubert mitgehen, einmal im Leben alles zurücklassen und einfach drauf los ins Ungewisse.

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Was Emigration bedeutet

14. Dezember 2024

Das Buch mit dem fast verführerischen Titel «Handbuch zum Umgang mit Grenzen» versetzt einen beim Lesen fast körperlich spürbar in die Lage eines Menschen, der weg will, jetzt und möglichst weit weg aus Verhältnissen, in denen es für ihn keine Zukunft geben wird. 

Das ist die persönliche Geschichte des 1967 in Albanien geborenen und dort aufgewachsenen Schriftstellers Gazmend Kapllani. Seine Familie wurde von der kommunistischen Diktatur des Landes in eines der vielen Verbannungsdörfer umgesiedelt, in denen politisch verdächtige Personen besonders überwacht wurden. Von hier blickte der junge Mann mit Leidensgenossen über die nahe Grenze, hinter der in klaren Nächten die Lichter der ersten Krieg in die Stadt zu erkennen waren, sozusagen das Paradies, und gemeinsam träumen sie vom Abhauen bei Nacht und Nebel dorthin, wohlwissend, dass der Versuch schon einigen misslang, mit gravierenden Folgen. «Wir waren dazu verdammt, entweder nur zu mutmassen, was auf der anderen Seite der Grenze existierte, oder die Idee, dass es jenseits der Grenze noch eine andere Welt gab, vollständig aus unserem Hirn zu verbannen, was eine gute Methode war, um zu überleben, sowohl seelisch als auch körperlich.»

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Flaschenpost an sich selbst

13. Dezember 2024

Der Film «Message in a Bottle» hatte nach seinem Kinostart 1999 vorwiegend schlechte Kritiken, las ich, als ich 25 Jahre später zufällig auf ihn einen Trailer stiess. Zum Glück hab ich mir den Film dennoch angeschaut; er ist für mich einer der zartesten Filme über die Entwicklung einer starken, aber schwierigen Liebesbeziehung, fein und humorvoll und ernsthaft erzählt und kongenial gespielt.

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Meisterlich heitere Sprachkunde

08. Dezember 2024

Die Wissenschaft von den Sprachen kann sehr theoretisch, abstrakt und in für Laien schwer verständlichen Formen betrieben werden. Selten bekam ich Linguistik so beschwingt und heiter vorgeführt wie in Alberigo Albano Tuccillos zahlreichen «Amuse Bouche» auf seinem Facebook-Profil und dann fein gebunden im gleichnamigen Band.

Der Titel spielt an auf einen Begriff in der gehobenen Gastronomie für kleine feine Gaumenkitzler, die unverlangt noch vor der Vorspeise serviert werden. Und in ähnlicher Weise tischt Tuccillo seine linguistischen Häppchen auf: fein zubereitet, aber unaufdringlich und leicht verdaulich.

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Vom «Schweizer Zappa» zum Rondom-Künstler

26. November 2024

Beim Lesen der «musikalischen Biografie» über den Appenzeller Künstler Steff Signer durfte ich eine hochinteressante Ära nacherleben, die ich in dieser speziellen Ausprägung kaum wahrgenommen hatte. Zwar hab ich ich einen Teil jener Zeit in der selben Region verbracht und bin kaum älter als der Protagonist und sein Schulfreund und Biograf Hanspeter Spörri, den ich damals als Journalist aus meiner Öko-Parallelwelt in meinem St. Galler Hauptquartier kennengelernt hatte, ohne auch nur zu ahnen, dass ich so eine Verbindung zu «Infra Steff» hätte bekommen können, zu einem Musiker und einer Szene, von denen nicht viel mehr als den Namen und einen gewissen Ruf mitbekommen hatte. Schande auf mein Haupt! Als ich Mitte der Achtzigerjahre nach Trogen und später nach St. Gallen gezogen war, war die wilde Zeit der wechselnden Bands um Steff Signer allerdings schon fast vorbei; damals begann seine Phase als Komponist, von der ich noch weniger Ahnung hatte.

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